Wissenschaftlicher Hintergrund

Wissenschaftlicher Hintergrund

„Dangerous Person“ – Fiktion oder Wirklichkeit?

Wird man zum Verbrecher geboren, gibt es also wirklich Gene, die Menschen böse und damit zu „Dangerous Persons“ machen wie in meinem Roman?

Die Antwort mag überraschen, aber es sind tatsächlich bereits zwei Gene identifiziert worden, die bei ihren Trägern zu einer höheren Gewaltbereitschaft führen können. Wer sich für diese Entdeckung interessiert, findet nähere Informationen unter 1.1: Gene und Gewalttätigkeit.

Auch die im Roman erwähnten Hirnanomalien und ein gestörter Hirnstoffwechsel können Menschen zu Verbrechern machen. Dafür gibt es inzwischen zahlreiche Belege, siehe 1.2: Gehirn und Gewalttätigkeit.

Und selbst die Volkskrankheit Depression, unter der die Romanfigur Zada leidet, ist bei manchen Menschen erblich bedingt. Hier kennt man bereits fünf verantwortliche Gene. Näheres unter 3: Gene und Depressionen.

Doch müssen wir jetzt befürchten, dass es keinen freien Willen gibt? Sind wir nur Sklaven unserer genetischen Ausstattung und unserer womöglich fehlerhaften Gehirne?

Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Die erwähnten „gefährlichen“ Gene zum Beispiel erhöhen zwar das Risiko, dass ein Mensch sich antisozial verhält, das ist aber kein Automatismus. Erst wenn ungünstige Lebensbedingungen hinzukommen, prägt sich das genetische Erbe aus. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass z. B. eine behütete Kindheit mit einem liebevollen, zugewandten Elternhaus das Risiko senkt. Ähnliches gilt auch für die Depression.

Schwere Verletzungen und Tumore in bestimmten Hirnregionen können Menschen dagegen tatsächlich so verändern, dass sie ungehemmt ihre Triebe ausleben. Das wird sicher in naher Zukunft bei Gerichtsverfahren als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein.

Grundsätzlich gilt aber auch für Hirnanomalien und Unstimmigkeiten im Hirnstoffwechsel, dass sie zwar die Gewaltbereitschaft erhöhen, Menschen aber nicht automatisch zu Verbrechern machen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Selbst ein Mensch, der aufgrund einer Hirnanomalie nicht in der Lage ist, Mitgefühl zu empfinden, kann kognitiv sehr wohl erfassen, dass es verboten ist, andere Menschen zu quälen, und entsprechend handeln.

Und es gibt noch eine gute Nachricht: Wahrscheinlich werden viele dieser Fehlfunktionen im Gehirn bereits in naher Zukunft therapierbar sein. Davon wird auch die Fortsetzung von „Dangerous Person“ handeln.

Nur der Kryoschlaf, bekannt aus vielen Science-Fiction-Filmen, wird wohl für immer ein Traum bleiben – für manche sicher auch ein Albtraum. Trotzdem verdienen bereits einige Firmen eine Menge Geld damit. Nähere Informationen unter 2: Kryoschlaf.

 

1. Die Biologie des Verbrechens

1.1 Gene und Gewalttätigkeit

Gibt es wirklich Gene, die Menschen böse und damit zu „Dangerous Persons“ machen wie in meinem Roman?

Tatsächlich geht man inzwischen davon aus, dass der Hang zu gewalttätigem Verhalten – so wie alle stabilen Verhaltensmerkmale – zu etwa 50% genetisch fixiert ist. Man hat inzwischen bereits einzelne Gene identifiziert, welche die Neigung zu aggressivem Verhalten erhöhen können.

Ein Beispiel dafür ist das Gen für das Enzym Monoaminoxidase A, kurz MAOA, das gern reißerisch als „Krieger-Gen“ bezeichnet wird. Dieses Enzym spaltet Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin und sorgt für deren Abtransport.

Eine Mutation im MAO-A-Gen, die so genannte MAOA-L-Variante, führt zu einer verringerten Produktion des Enzyms. Die Konzentration der genannten Neurotransmitter ist dann entsprechend hoch. Sie wird tatsächlich mit höherer Risiko- und auch Gewaltbereitschaft in Verbindung gebracht und geht einher mit einer geringeren Aktivität im präfrontalen Kortex sowie einer Hyperaktivität des Mandelkerns im Gehirn. Auch bei Tieren zeigt sich eine höhere Aggressivität, wenn man experimentell einen MAOA-Mangel erzeugt.

Das Gen liegt übrigens auf dem X-Chromosom, welches bei Frauen doppelt vorhanden ist. So kann eine Mutation in einem der beiden Gene ausgeglichen werden. Bei Männern, die nur ein X-Chromosom besitzen, kann die Mutation dagegen nicht durch ein „normales“ Allel kompensiert werden. Dies könnte erklären, weshalb Männer häufiger Gewaltverbrechen begehen als Frauen.

Ein weiteres Beispiel ist das CDH13-Gen. Es kommt bei Straftätern oft in einer Variante vor, die bewirkt, dass ihr Träger schneller die Kontrolle über seine aggressiven Impulse verliert.

Aber es ist keineswegs so, dass die genannten Genvarianten automatisch zu aggressivem Verhalten führen. Vielmehr entwickeln Träger dieser Gene erst dann ein solches Verhalten, wenn sie gleichzeitig negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt waren. Manche wurden als Kind ständig misshandelt oder standen zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Drogen.

Ähnliches zeigte sich auch im Tierversuch: Der US-Mediziner Stephen Suomi experimentierte mit Resus-Affenkindern, die Genvarianten für antisoziales Verhalten trugen. Doch nur bei den Affen, die getrennt von der Mutter aufgezogen wurden, entwickelte sich tatsächlich antisoziales Verhalten. Kümmerte sich die Affenmutter dagegen fürsorglich um diese Affenkinder, geschah das nicht.

Interessante neue Erkenntnisse sind in diesem Zusammenhang sicher von der Epigenetik zu erwarten. Dieser noch junge Forschungszweig untersucht Veränderungen der Genregulation, die nicht auf Mutationen beruhen. Schon heute weiß man, dass Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Stress bestimmte Gene an- bzw. abschalten, ohne dass die Gene selbst verändert werden. Dazu heften sich Molekülgruppen an die Erbsubstanz an oder werden von ihr entfernt. Auch solche Veränderungen können erblich sein.

Wird zum Beispiel eine Schwangere während der gesamten Schwangerschaft immer wieder geprügelt, zeigen sich bei ihrem Kind epigenetische Veränderungen, die es ängstlich und verhaltensauffällig machen. So hinterlässt also die Umwelt Spuren an den Genen.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Es gibt tatsächlich Gene, die die Gewaltbereitschaft ihrer Träger erhöhen können. Das trifft aber nur dann ein, wenn ungünstige Umweltbedingungen hinzukommen. Dies hat auch die „Föderation der Sicheren Staaten“ in meinem Roman erkannt, die nicht nur die Gene, sondern auch die Lebensbedingungen von Kindern mitberücksichtigt, um das von ihnen ausgehende Gefahrenpotential einzuschätzen.

Träger so genannter „gefährlicher“ Gene vorbeugend einzusperren, wie es die Föderation in meinem Roman tut, ergibt keinen Sinn. Denn ob ein Mensch zu Gewaltverbrechen neigt, hängt eben nicht nur von seinen Genen ab, sondern auch von seiner Erziehung, der Lebensweise und anderen Umwelteinflüssen. Oder anders ausgedrückt: Der Mensch ist glücklicherweise viel mehr als nur die Summe seiner Gene.

Quellenverzeichnis:

Jiménez, Fanny: „Warum manche Menschen mörderisch böse werden“, in: Welt, unter:  http://www.welt.de_Gesundheit_Psychologie, 16.02.2015 (abgerufen am 21.1.2018).

Podbregar, Nadja: „Kriminell durch Gene?“ In: Bild der Wissenschaft, unter http://www.wissenschaft.de/leben-umwelt/genforschung/-/journal_content/56/12054/4829077/Kriminell-durch-die-Gene%3F/. 28.10.2014 (abgerufen am 21.1.2018).

Birbaumer, Niels: „Das Böse beginnt im Gehirn“, in: Frankfurter Allgemeine E-Paper, unter: http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/hirnforschung-mit-straftaetern-das-boese-beginnt-im-gehirn-13649029.html, aktualisiert am 22.06.2015 (abgerufen am 21.1.2018).

 

1.2 Gehirn und Gewalttätigkeit

In meinem Roman werden „Gefährliche“ unter anderem mit Hilfe von Hirnscans aufgespürt. Aber gibt es überhaupt das typische Verbrechergehirn, wie die Föderationsvertreter behaupten?

Tatsächlich belegen viele Studien einen Zusammenhang zwischen der Gewalttätigkeit von Menschen und Schädigungen bestimmter Hirnregionen, Auffälligkeiten im Hirnstoffwechsel oder einem Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn. Einige davon sollen hier vorgestellt werden.

Es gibt kein eigenes Ethikzentrum im Gehirn, sondern viele Regionen wirken bei der Entwicklung von moralischem oder unmoralischem Verhalten zusammen.

Eine wichtige Rolle spielt der präfrontale Kortex im Stirnbereich des Gehirns. Hier sitzen u. a. Nervenzentren, die für moralisches Denken und die Planung von Handlungen wichtig sind. Sie gleichen aggressive Impulse, die im limbischen System erzeugt werden, mit gängigen Normen ab. Das limbische System ist eine entwicklungsgeschichtlich alte Funktionseinheit des Gehirns, in der Emotionen verarbeitet werden und Triebverhalten entsteht. Menschen mit Schäden im präfrontalen Cortex leben ihre Triebe ungehemmt aus.

Berühmtes Beispiel hierfür ist der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage, dem 1848 eine Eisenstange durch das Stirnhirn drang und der sich danach von einem allseits geschätzten Mitbürger zu einem Soziopathen entwickelte.

Der Neuropsychologe Adrian Raine (Universität Südkalifornien) untersuchte 41 Mörder, die im Affekt getötet hatten, per Computertomographie. Er fand heraus, dass alle einen reduzierten Stoffwechsel im Frontalhirn und z. T. auch eine geringere Größe und ein dünneres Nervenzellgeflecht dieses Bereichs aufwiesen.

Auch der für die Gedächtnisverarbeitung zuständige Hippocampus zeigt bei Gewaltverbrechern häufig Besonderheiten. Viele haben unterschiedlich große Hippocampi in beiden Gehirnhälften und können dadurch Gefühle nicht richtig verarbeiten.

Bei Intensivstraftätern zeigt sich oft eine Hyperaktivität in der Amygdala, dem Mandelkern, einem Teil des limbischen Systems. Diese kann dann Reize nicht angemessen emotional bewerten. Dadurch stellt sich das Gefühl, bedroht zu werden, viel schneller ein als bei normalen Menschen. Betroffene können sich in Stresssituationen nicht beherrschen – so wie Arian, als er Dr. Schmied als Geisel nimmt. Auch Rassisten haben eine hyperaktive Amygdala.

Eine Schlüsselrolle kommt den Spiegelneuronen zu. Diese Nervenzellen sind mitverantwortlich für die Ausbildung von Empathie, also für die Fähigkeit, sich in jemanden hineinzuversetzen. Sind sie beschädigt, können die betroffenen Verbrecher den Gesichtsausdruck ihres Opfers nicht entschlüsseln, also nicht erkennen, ob das Opfer z. B. Leid oder Angst empfindet – so wie Arian während des Experiments.

Auch ein Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn kann dramatische Folgen haben. Vasopressin und Oxytocin sind Erzeugnisse des Hypophysenhinterlappens und gelten als Bindungshormone. Diese Hormone fördern über die Amygdala und den Hirnstamm soziales Verhalten. Vernachlässigung in der Kindheit senkt ihren Spiegel dauerhaft, was zum Verlust der Impulskontrolle führen kann.

Die Ausschüttung von Serotonin, dem Wohlfühlhormon, dämpft antisoziales Verhalten.

Hirnschäden entstehen auch durch Drogenkonsum. Amphetamine z. B. beeinträchtigen die Funktion des Stirnhirns.

Und natürlich führen auch psychiatrische Erkrankungen zu massiven Veränderungen des Hirnstoffwechsels.

All diese Befunde lassen sich scheinbar auf die Formel bringen: Zeige mir dein Gehirn und ich sage dir, ob du ein Verbrecher bist. Doch so einfach ist es dann doch wieder nicht.

Wie der US-Neurowissenschaftler James Fallon herausfand, weist bis zu einem Viertel der Bevölkerung Veränderungen im Gehirn auf, die auch Schwerverbrecher haben – ohne dass all diese Menschen Verbrechen begehen. Besonders verstörend war für den Forscher die Entdeckung, dass auch sein eigenes Gehirn dazugehörte. Er ließ daraufhin seine Gene untersuchen und musste feststellen, dass er „einen Hang zu gewalttätigem, Impulsivem, wenig einfühlsamem und risikoreichem Verhalten hatte.“ Dennoch war er weit davon entfernt, ein Verbrecher zu sein. Offenbar hatte ein günstiges soziales Umfeld während seines Heranwachsens genau das verhindert.

Und es gibt noch einen Trost: Das menschliche Gehirn gleicht einer Dauerbaustelle, die ständigen Umbauprozessen unterworfen ist. Auch das „Verbrechergehirn“ ist zu Veränderungen fähig. Davon wird auch der 2. Teil meines Romans „Dangerous Person“ handeln, an dem ich zurzeit arbeite.

Quellenangaben:

Hans J. Markowitsch, Werner Sieger: „Tatort Gehirn“. Piper 2009.

Beate Lakota: „Neuronen sind nicht böse“. In: Der Spiegel Online,  31/2007 unter  http://www.wissen.spiegel.de/wissen/dokument-druck.html (abgerufen am 7.07.2009).

Schröder, Catalina: „Der Psychopath in mir“. In: Frankfurter Allgemeine, unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/hirnforscher-der-psychopath-in-mir-12893171.html , aktualisiert am 12.05.2014, (abgerufen am 21.1.2018).

 

2. Kryoschlaf

Kann man Menschen in den Kryoschlaf (Kälteschlaf) versetzen und sie danach unbeschadet wieder auftauen?

Es ist der uralte Menschheitstraum vom ewigen Leben: Man friert die Körper von kranken Menschen so lange ein, bis die Medizin Möglichkeiten zu ihrer Behandlung findet. In meinem Roman „Dangerous Person“ werden die „Gefährlichen“ gegen ihren Willen ähnlich behandelt und erwachen vorzeitig durch einen technischen Defekt. Aber ist eine Kältekonservierung von Menschen überhaupt möglich?

Auch wenn es bereits mehrere Kryonik-Unternehmen gibt, die todkranken Menschen für sehr viel Geld diese Behandlung anbieten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass so etwas jemals funktionieren wird.

Zwar wird die Gefahr der Eiskristallbildung und damit der Zellschädigung dadurch umgangen, dass das Blut dieser Menschen abgepumpt und durch Frostschutzmittel ersetzt wird, doch sind diese Mittel giftig und führen zu Organschäden.

In meinem Roman werden deshalb die Gefährlichen nicht eingefroren, sondern nur extrem heruntergekühlt und befinden sich dadurch in einem Zustand, der an den Winterschlaf von Tieren erinnert. Ein ganz ähnliches Verfahren, allerdings bei nur geringfügiger Abkühlung, findet in der Notfallmedizin bereits Verwendung. Dass Menschen wie die Gefährlichen einen Jahre dauernden Kälteschlaf nahezu unbeschadet überstehen, ist dagegen kaum vorstellbar.

(Bezug zum Roman: I. Teil, Kapitel 1, 2, 10)

 

3. Gene und Depressionen

In Kapitel II.6 begeht die Romanfigur Zada einen Suizidversuch. Als Grund dafür gibt Dr. Schmied an, dass Zada an einer genetisch bedingten Depression leide, verursacht durch eine ungünstige Variante des 5-HTT-Gens, auch „Überlebensgen“ genannt.

Aber haben Depressionen tatsächlich eine genetische Ursache? Das gilt inzwischen als gesichert. Allerdings wird nicht die Krankheit selbst vererbt, sondern nur eine höhere Anfälligkeit dafür, in belastenden Situationen eine Depression zu entwickeln. Bisher sind fünf verschiedene Gene bekannt, die bei der Entstehung von Depressionen eine Rolle spielen.

Eines von ihnen ist das erwähnte 5-HTT-Gen, das auf dem Chromosom Nr. 17 liegt.

Dieses Gen kann in einer kürzeren und einer längeren Variante (Allel) vorliegen.

Bei Menschen mit zwei kurzen Allelen liegt das Risiko, nach mehreren schweren Belastunssituationen an einer klinischen Depression zu erkranken, mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen mit zwei langen Allelen. Das 5-HTT-Gen beeinflusst den Serotoninspiegel im Zentralnervensystem.

Serotonin ist einer von mehreren Neurotransmittern (körpereigenen Botenstoffen). Sie sind zuständig für die Übertragung von Signalen an den Synapsen, den Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen. Serotonin sorgt dafür, dass wir uns zufrieden und entspannt fühlen. Wegen dieser Wirkung wird es auch „Wohlfühlhormon“ genannt. Bei einer Depression scheint eine Fehlregulation des Serotoninhaushalts vorzuliegen. Symptome sind zum Beispiel Angst, Schlaflosigkeit, Niedergeschlagenheit und gesteigerter Appetit – und all das beschreibt ziemlich genau, wie Zada sich fühlt. Ursachen dafür können u. a. eine verminderte Synthese von Serotonin, aber auch eine gestörte Abgabe oder Wiederaufnahme von Serotonin an den Synapsen sein. Letzteres trifft auf das 5-HTT-Gen zu. Menschen mit zwei kurzen Allelen besitzen weniger Transporterproteine. Diese sorgen normalerweise für die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt in die Zelle. Der genaue Wirkmechanismus ist in diesem Fall noch nicht geklärt.

Reicht es nun aber grundsätzlich, wie Dr. Schmied behauptet, den Serotoninspiegel mit Medikamenten künstlich anzuheben, um die Depression zu bekämpfen?

Man nimmt tatsächlich an, dass während einer Depression ein Mangel an Serotonin im synaptischen Spalt herrscht. Die Wirkung vieler Antidepressiva (Medikamente, die gegen Depressionen helfen) beruht daher auf einer künstlichen Erhöhung des Serotoninspiegels. Die sogenannten selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sorgen zum Beispiel dafür, dass der Botenstoff im synaptischen Spalt länger wirken kann.

Ein Allheilmittel gegen Depressionen ist Serotonin aber nicht.

So gibt es zum Beispiel Antidepressiva wie Tianeptin, die den Serotoninspiegel senken und damit genau die gegenteilige Wirkung haben, aber auch gegen Depressionen helfen.

Außerdem sind neben dem Serotonin noch andere Neurotransmitter wie Noradrenalin und Dopamin an der Entstehung von Depressionen beteiligt.

Und schließlich lassen sich Depressionen nicht nur auf einen Mangel an Neurotransmittern zurückführen, sondern gehen immer mit Veränderungen der Hirnaktivität einher. So sind bei depressiven Menschen bestimmte Teile des limbischen Systems (einer Art emotionalem Zentrum) überaktiv.

Gleichzeitig sind Bereiche des Frontalhirns, die für Emotionskontrolle und rationales Denken zuständig sind, zu wenig aktiv. Diese Veränderungen der Hirnaktivität führen ihrerseits zu Veränderungen der Hirnstruktur und der Plastizität des Gehirns. Unter der Plastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns zu ständigen Umbauprozessen, die seine Eigenschaften verändern. Die durch die Depression bedingten Veränderungen verschlimmern wiederum die Symptome der Depression. Deshalb ist es so wichtig, dass Depressionen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Die Ursachen für die Entwicklung einer Depression sind also sehr komplex und noch nicht in allen Einzelheiten aufgeklärt. Fest steht aber, dass bestimmte Gene und Umweltfaktoren bei der Entstehung einer Depression zusammenwirken.

 

(Bezug zum Roman: Teil II, Kapitel 6 und 7)

Literaturtipps:

  • Für Einsteiger: Prof. Dr. Dr. Günter Niklewski, Dr. Rose Riecke-Niklewski: „Depressionen überwinden – Niemals aufgaben!“. Stiftung Warentest Berlin, 2016. 7., aktualisierte Auflage.
  • Für Fortgeschrittene: depressionen-behandeln.de